Rizinus-Öl-Brille aus dem 3D-Drucker
Als ich mir letztes Jahr eine neue Brille ausgesucht habe, fiel meine Wahl auf eine Brille aus dem 3D-Drucker. Die Optikerin verkündete stolz, dass die Brille aus Rizinusöl gedruckt wurde und nicht aus Kunststoff besteht. Fand ich seltsam, hatte ich so noch nie gehört, habe ich aber hingenommen. War eine schicke Brille, das hat mir gereicht.
Ich kannte nur, dass es als ein Schmier- oder Trennmittel verwendet wird, aber doch kein echtes Material für eine Brille wäre.
Doch dann lief heute eine Folge der Sendung mit der Maus, in der genau dieses Thema in der Sachgeschichte mit Ralph Caspers aufgegriffen wurde: Brillen aus dem 3D-Drucker – mit Rizinusöl als Basis.
Was hat Rizinusöl mit Kunststoff zu tun?
Rizinusöl wird aus den Samen des Wunderbaums (Ricinus communis) gewonnen — einer Pflanze, die vor allem in tropischen Regionen wächst. Aus dem Öl kann man durch chemische Prozesse sogenannte Biopolymere herstellen. Im Fall meiner Brille wird daraus ein Pulver, das als Grundlage für ein besonders umweltfreundliches Polyamid dient – konkret meist PA11 (Polyamid 11).
PA11 ist ein nachhaltiger Kunststoff, der ähnliche Eigenschaften hat wie herkömmliches Nylon, aber nicht aus Erdöl hergestellt wird, sondern aus einem nachwachsenden Rohstoff. Das macht PA11 zu einer Alternative für Produkte, die früher auf fossile Rohstoffe angewiesen waren.
Wie wird aus Rizinusöl ein druckbares Pulver?
Der Weg vom Pflanzenöl zum Kunststoffpulver ist chemisch recht komplex, aber stark vereinfacht läuft es so ab:
- Extraktion des Öls:
Die Samen des Wunderbaums werden gepresst, um das Rizinusöl zu gewinnen - Aufbereitung zu Sebacinsäure:
Das Öl enthält Ricinolsäure, eine Fettsäure, die durch chemische Reaktionen zu Zwischenprodukten wie Sebacinsäure verarbeitet wird - Polymerisation:
Aus diesen Säuren werden dann lange Molekülketten (Polymere) gebildet — also ein Bioplastik. - Zerkleinerung zu Pulver:
Das fertige Polymer wird dann in einem Verfahren ähnlich dem Mahlen zu feinem weißen Pulver verarbeitet, das die richtige Korngröße für den 3D-Druck hat.
Dieses Pulver ist die Basis für das Druckverfahren Selektives Lasersintern (SLS).
Wie funktioniert der 3D-Druck von Brillen?
Beim selektiven Lasersintern (SLS) wird das Kunststoffpulver Schicht für Schicht auf eine Plattform aufgetragen. Ein Laserstrahl fährt dann gezielt die Stellen ab, an denen das Material verschmelzen soll — ähnlich wie beim Drucken mit einem Stift.
Schritt für Schritt entsteht so ein dreidimensionales Objekt aus vielen hauchdünnen Schichten.
Nach dem Druckprozess wird das nicht verwendete Pulver abgesaugt oder ausgeklopft, der Rohling entnommen, nachbearbeitet (entgratet, poliert, eingefärbt), und schließlich mit Gläsern versehen.
Das Ergebnis: Eine Brille aus dem 3D-Drucker — leicht, stabil, biobasiert (und in meinem Fall ziemlich stylisch
)
Warum ich das beeindruckend finde
Ich liebe Technik, die elegant und dann auch noch (halbwegs) nachhaltig ist.
Dass ich eine Brille trage, die nicht aus Erdöl, sondern aus Pflanzenöl hergestellt wird, finde ich einfach faszinierend. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass mein Alltag ein kleines Stück umweltfreundlicher geworden ist, ohne auf Komfort oder Design zu verzichten.
Wer sich die Sachgeschichte noch mal anschauen möchte, findet sie hier in der ARD Mediathek.
Was ich ursprünglich für ein „Trennmittel“ hielt, ist tatsächlich der Ausgangsstoff für einen modernen Kunststoff. Meine neue Brille ist nicht nur ein Beispiel für gutes Produktdesign, sondern auch dafür, wie nachhaltige Materialien und digitale Fertigung zusammenkommen können.
Die Zukunft sitzt also direkt auf meiner Nase 